Die Sonnenuhr auf dem Theaterplatz in Aschaffenburg
Es war die Idee und Vorstellung vom Oberbürgermeister der Stadt Aschaffenburg Herrn Herzog, dass bei der Gestaltung des Theaterplatzes Bürger mit an der Planung beteiligt werden sollten. Vorstellungen und Anregungen dazu wurden auch in unserem Astronomiekreis - entstanden aus einem VHS-Kurs - lebhaft diskutiert. Nachdem wir mehrere Male zu verschiedenen Tageszeiten den Platz aufgesucht hatten, bemerkten wir die astronomisch besondere Lage des Theaterplatzes, denn die Diagonale liegt genau in Nord – Südrichtung. Aus diesem Grund kamen wir auf die Idee, hier den Bau einer große Sonnenuhr vorzuschlagen. Als äußerst günstig erwies sich bei unseren Beobachtungen, dass um die Mittagszeit der Sonneneinfall optimal in der Diagonale des Platzes liegt. Weiterhin hervorragend ist die offene Blickrichtung nach Süden, denn durch die umliegenden Gebäude wird auch bei niedrigem Sonnenstand im Winter zwischen 10 Uhr und 14 Uhr eine einwandfreie Beleuchtung des Schattenwerfers gewährleistet, wie Abbildung 1 zeigt.
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Abbildung 1 :Höchststand der Sonne am 21. Dezember um die Mittagszeit
Bei den weiteren Überlegungen ging es darum aus der riesigen Zahl von verschiedenen Sonnenuhrentypen etwas passendes mit Bezug auf Aschaffenburg auszuwählen. Nach langen Diskussionen kamen wir zum Ergebnis, dass wir mit dem Pompejanum ein Gebäude haben, das eine zutreffende Querverbindung mit sich bringt. In Pompeji gab es bereits Sonnenuhren, neben den halbkugelförmigen Skaphen auch horizontale Sonnenuhren mit einem Gnomon, von denen im Jahre 1865 ein Exemplar ausgegraben wurde. Es handelte sich um eine ca. 70 cm x 70 cm große Steinplatte, die ein Liniensystem wie in Abbildung 2 aufwies.
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Abbildung 2: Das Liniensystem der horizontalen Sonnenuhr von Pompeji
Die wichtigste Forderung an eine monumentale Sonnenuhr für einen großen Platz sollte eine überschaubare und übersichtliche Liniengebung sein. Unser Vorbild für die Ausmaße des Theaterplatzes fanden wir im antiken Rom. Die berühmteste Sonnenuhr ist die so genannte „Sonnenuhr des Augustus“ die auf dem antiken Marsfeld in Rom gestanden hat. Überliefert ist, dass von Kaiser Augustus um die Zeitenwende diese Sonnenuhr errichtet wurde, deren Schattenwerfer (Gnomon), ein ägyptischer Obelisk von ca. 37 m Höhe war. Die antike Anlage beinhaltete wahrscheinlich nur den Gnomon und den Meridian mit entsprechenden Tierkreiszeichen und war damit eher mit einen Kalender zu vergleichen. Eine mögliche Rekonstruktionen ist in Abbildung 3 dargestellt. In diesem Kontext wäre die Uhr in Aschaffenburg eine echte Bereicherung und Attraktion für Bürger und Touristen.
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Abbildung 3 : Die Sonnenuhr des Augustus
Bereits um 1820 wollte König Ludwig II eine solche Sonnenuhr in München errichten. Auf dem Karolinenplatz wurde ein Obelisk zur Erinnerung an die 30 000 bayerischen Gefallenen des Russlandfeldzugs errichtet, der als Gnomon für eine Sonnenuhr dienen sollte. Ein Modell steht im deutschen Museum.
Die Sonnenuhr auf dem Theaterplatz sollte an das antike Vorbild anschließen und mehrere Funktionen erhalten, jedoch mit einem zusätzlichen modernen Element. Im Grunde genommen stellen wir uns eine archaische Liniengebung vor, in der nur durch die so genannte Analemma ein neuzeitliches Element integriert wird. Die Abbildung 4 zeigt unseren Vorschlag für ein solches Liniensystem. Mit einem Gnomon von 10m Höhe beträgt die Länge der Diagonale ca. 34m.
Abbildung 4 : Unser Vorschlag für das Liniensystem
Der prinzipielle Aufbau soll nun im weiteren erläutert werden.
Das Liniensystem besteht aus drei verschiedenen Teilen:
a) die Stundenlinien
radial verlaufend zeigen diese Linien, wenn sie vom Schatten der Kugel auf dem Gnomon getroffen werden, die jeweilige Tageszeit an. Dabei handelt es sich um die so genannte wahre Ortszeit WOZ und ist nicht mit unserer Zonenzeit MEZ zu verwechseln.
b) die Monatslinien oder Tierkreislinien
die hyperbelförmigen Linien zeigen den Verlauf des Schattens an einem bestimmten Tag an. Für einige spezielle Tage sind sie eingezeichnet: Sommer- und Wintersonnwende, für die Tag- und Nachtgleiche und die entsprechenden zwei Monatslinien dazwischen.
c) die Analemma, durch deren Form die so genannte Zeitgleichungskurve beschrieben wird, deren Funktion unten erläutert wird.
Was kann mit der Beobachtung des Schattens der Gnomonkugel abgelesen werden?
1) Zuerst bestimmt man die wahre Ortszeit (WOZ) mit Hilfe der Stundenlinien, die radial vom Gnomon auszugehen scheinen und für einen Zeitraum von 10 Uhr morgens bis 15 Uhr mittags markiert sind. Die wahre Ortszeit weicht von unserer gebräuchlichen mitteleuropäischen Zeit (MEZ) ab: in Aschaffenburg sind es im Mittel ca. 24 Minuten. Besonders interessant ist dabei der Durchgang des Schattens durch die 12-Uhr-Linie der sogenannten Meridianlinie, der die genaue Nord-Südrichtung markiert. Die Sonne erreicht hier täglich um ca. 12.24 Uhr ihren Höchststand und damit ergibt sich die kürzeste Schattenlänge.
2) Die Monatslinien verlaufen in Ost-West-Richtung. Sie ermöglichen festzustellen, in welchem Tierkreiszeichnen sich die Sonne gerade befindet. Dabei gelten die eingezeichneten Symbole im Osten für Winter und Frühjahr und im Westen für Sommer und Herbst. Der Eintritt in ein Tierkreiszeichen ist ca. am 21. eines Monats. Die Kurven sind Hyperbeln, nur zur Tag- und Nachtgleiche erhält man eine Gerade, denn die Sonne befindet sich zum Frühlings- und Herbstbeginn also am 21.März oder 21. September (Äquinoktien) genau über dem Erdäquator.
3) Die Bestimmung der exakten Uhrzeit 12.00 Uhr Mittag MEZ erfolgt mit Hilfe der eingezeichneten Analemma (Achterschleife). Die Analemma stellt den Zusammenhang her zwischen der wahren Ortszeit hervorgerufen durch ungleichförmige Umlaufbahn der Erde um die Sonne (Schiefe der Ekliptik und elliptische Bahn) und der gleichmäßig ablaufenden MEZ dar. Oft findet man diese Abweichung als so genannte Zeitgleichung tabelliert. Die Sonnenuhr ist so berechnet, dass die Analemma zwischen den Stundenlinien 11 Uhr und 12 Uhr wahrer Ortszeit genau um 12 Uhr MEZ ( im Sommer 13 Uhr MESZ) getroffen wird.
Dazu der Vorschlag:
Kurz vor 12 Uhr MEZ öffnet sich die Kugel zu einem Lochgnomon. Der entstehende helle Lichtfleck kann genau lokalisiert werden und wandert sichtbar über die Analemma hinweg.
Dieser Zeitpunkt sollte thematisiert werden nach den Vorbildern in anderen Städten (Prag : Stundenschlag oder München : Rathausspiel)
4) Die Sonnenuhr als Kalender
Auf der Analemma ist das Datum in z.B. 10-Tages-Schritten verzeichnet, im Winterhalbjahr kann die Markierung auch für jeden Tag erfolgen, so dass man leicht den entsprechenden Zeitpunkt der Beobachtung im Jahreslauf bestimmen kann.
Spezialisten können noch folgende Parameter der Erdbahn bestimmt:
5) Die geographische Lage (Länge und Breite) der Sonnenuhr
Die geographische Breite lässt sich aus der Lage der Monatslinie zum Äquinoktium bestimmen, wenn sich die Sonne genau über dem Erdäquator befindet. Aus der Gnomonhöhe von h = 10m und der Schattenlänge zum wahren Mittag l = 11,9 m errechnet sich die Sonnenhöhe H = 400 , das bedeutet eine geographische Breite von j = 500. Die geographische Länge l bestimmt man aus dem Zeitpunkt des Meridiandurchgangs, ca. um 12.24 Uhr. Damit erhält man die geographische Länge von 150 – (15*24/60)0 = 90 östlicher Länge.
6) Die Schiefe der Ekliptik
Die Neigung der Erdbahn gegenüber der Ekliptik kann ebenfalls aus dem eingezeichneten Liniensystem bestimmt werden. Man erhält für den kürzesten Schatten ls = 5,0 m und für den längsten Schatten lw = 33,8m. Damit erhält man als Winkel as = 63,50 und aw = 16,50. die Differenz entspricht der doppelten Ekliptikschiefe e = ½ ( 63,5-16,5)0 = 23,50
7) Das Datum der Aufstellung
Während die Stundenlinien im Laufe der Zeit ihre Gültigkeit beibehalten, wird durch Schwankung der Ekliptikschiefe über die Jahrhunderte die Lage der Datumslinien verändert. In einem Zeitraum von 40 000 Jahren schwankt die Ekliptikschiefe zwischen 240 18´ und 210 55´. Derzeit (2002) beträgt die Ekliptikschiefe 230 26´ 21,4´´ und nimmt pro Jahr um 47´´ ab. In jeweils hundert Jahren verkürzt sich daher der Schatten zur Wintersonnenwende um ca. 3 cm.
Zusammenfassung:
Nachdem der Stadtrat der Stadt Aschaffenburg am 3. Februar 2003 mit großer Mehrheit den Planungsentwurf der Arbeitsgemeinschaft Scheffler/ Lautenschläger zugestimmt hat, geht es um die Umsetzung der Idee in die Praxis. Die moderne Gestaltung der Fassade des Theaters verbindet sich zwanglos mit der schlichten Bebauung des Platzes an der Gegenseite. Für die Gestaltung von Einzelheiten der Sonnenuhr und deren Beschriftung sollten Künstler und Sonnenuhrenspezialisten zusammenarbeiten, damit ein Gesamtbild entsteht, das den Intentionen eines historischen Zusammenhangs entspricht. Voraussetzung ist eine exakte Berechnung des Liniensystems und eine genaue Vermessung auf dem Platz. Die Ausführung innerhalb des Oberflächenbelages muss dauerhaft und witterungsbeständig erstellt werden, um einen Betrieb der Installation für viele Jahre zu gewährleisten.
So kann durch die vorgeschlagenen Maßnahmen ein Ort der Begegnung entstehen, der mittels seines Ambientes eine Wirkung erzielt, die einlädt, zu verweilen und Zeuge des Ablaufs kosmischen Geschehens zu werden.
Der Artikel erschien als wissenschaftliche Beilage im Jahresbericht 2002/2003 des Friedrich- Dessauer-Gymnasium Aschaffenburg
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